Dieses Mal habe ich an der Grenze zum Oman für mein neues Visum doppelt so lange gebraucht als sonst. Der Grund war nicht etwa, dass viel Betrieb gewesen wäre. Eigentlich war kaum was los, wie es Werktags am Vormittag auch zu erwarten ist.
Es begann damit, dass die Departure hall (für den offiziellen Ausreisestempel) unbesetzt war. Ein paar Junge Männer vom Kontrollposten für Golfstaatenbewohner winkten meine Freundin und mich zu sich. Der Britische Pass meiner Freundin war nach zwei Minuten mit den nötigen Ausreisestempeln versehen, bei mir dauerte es. Und es dauerte. Und dauerte. Vier Junge Männer im Büro unterhielten sich, klapperten immer wieder was am Rechner ein, warteten, unterhielten sich weiter – nichts geschah. Nach ca. einer viertel Stunde fragte mich einer von ihnen, ob ich auch zum Enter/Exit gekommen sei und nach dem Omanigrenzposten gleich wieder käme. Ich sage ja, er zuckt mit den Schulter, gab mir meine Stempel, und wir konnten passieren. Was das Problem war, konnten wir noch nicht feststellen.
Direkt nach dem Posten hielt ein freundlicher Omani neben uns und nahm uns mit zur omanischen Grenzseite, wodurch wir die verlorene Zeit wieder gutmachen konnten. Das ist nicht ungewöhnlich, bisher wurde ich auf dem Hinweg immer von freundlichen Omanis mitgenommen, sobald sie sahen, da läuft eine Frau alleine durch die Wüste. Nun waren wir zwei blonde Frauen, das erhöht die Chancen auf Mitnahme natürlich.
Auf omanischer Seite ging wie immer alles unkompliziert und sehr schnell, Einreisestempel, Touristenvisum bezahlen, Ausreisestempel und ab zurück. Da auf omanischer Seite keine emiratischen Banknoten angenommen werden, gab mir meine Freundin die für sie fälligen 200 Dirham (ca. 40 Euro) und ich bezahlte mit Kreditkarte für uns beide. Wie sich erst später beim Kontrollieren des Kartenausdruckes heraus stellte, haben wir das Glück gehabt, dass der Grenzposten scheinbar 200 mal 2 nicht im Kopf rechnen konnte, sondern den Kartenleser rechnen ließ. Wahrscheinlich drückte er anstelle der Multiplikationstaste die für Division. Schließendlich wurde es für uns das billigste Omanvisum aller Zeiten, denn er zog mir nur den halben Preis für eine Person ab. Geld gespart, warum nicht!
Wir spazierten gemütlich zurück zur emiratischen Seite. Die Einreisehalle war so gut wie leer, eine uns schon bekannte kompetente Dame saß hinter dem Schalter. Die Stempelei für meine britische Freunding ging wieder sehr schnell, etwas Geplauder während die Dame versuchte, meine Datei zu öffnen. Für jeden Ausländer wird bei der ersten Einreise eine Datei im System angelegt, die den Namen der Passnummer hat. Da Deutschland als einziges seit Neuestem Ziffern und Buchstaben mischt, ohne darauf zu achten, dass man O und Null kaum auseinander halten kann, war es gut, dass ich bereits einen Aufkleber vom hiesigen Immigration Department hatte, der besser leserlich war. Es nützte nichts. Immer, wenn die Dame meine Datei öffnen wollte, stürzte das System ab. Nach dem 12. Versuch rief sie einen Kollegen an. Genau denjenigen, der bei meiner “Ausreise” so unheimlich lange gebraucht hatte. Angeregte Unterhaltung, klang beinahe wie schimpfen, aber bei anderen Sprachen ist das häufig nicht so einfach zu interpretieren. Jedenfalls kam der Herr vorbei, nahm meinen Passport mit und verschwand in ein anderes Gebäude. Weitere 15 Minuten verstrichen bis er wieder auftauchte, meinen Pass am Schalter abgab und mit den Worten “Finish, all good” sehr schnell wieder verschwand. Gleiches Problem wieder, nichts war gut. Die Dame hinter dem Schalter entschuldigte sich mehrfach bei mir, wollte scheinbar die Situation mit einem Gespräch auflockern. Sie fragte mich, ob denn Hitler bald wieder käme. Ich stutzte. Zu unserer Geschichte haben die meisten außereuropäischen Ausländer eben einen anderen Bezug als wir. Jedenfalls musste unser junger Grenzbeamte wieder antanzen. Weitere Auseinandersetzung auf arabisch, die Dame verwies ihn an den Nachbarschalter und schüttelte immer wieder mit mürrisch zusammen gepressten Lippen den Kopf. Er brauchte noch eine geraume Weile, bis ich letztendlich meinen Pass mit den nötigen Einreisestempeln zurück bekam. Was war da passiert?
Augenscheinlich haben die jungen Herren bei meiner Ausreise meine Datei zerschossen. Und zwar so gut, dass sie sich nicht nur nicht mehr öffnen ließ, sondern bei jedem Versuch desselbigen das ganze System zum Absturz brachte. Ich kann nur inständig hoffen, dass der junge Mann das Problem wirklich behoben hat, sonst bekomme ich beim nächsten Mal in fünf Wochen die gleichen Schwierigkeiten.
Im Gegensatz zur Einreise am Flughafen, wo man seine Stempel im Pass bekommt und damit fertig ist, bekommt man hier noch ein zusätzliches Papierchen mit irgendeinem nichtssagenden Stempel. Diesen gibt man am nächsten Häuschen ab, bekommt einen Ausdruck mit seiner Passnummer, den man wiederum an einem weiteren Häuschen einfach so gestempelt bekommt und am aller letzten Posten dann einfach wieder abgibt. Sieht erst mal völlig sinnlos aus. Ist es technisch gesehen auch, aber es gibt einen guten Grund dafür.
Die Emirate sind ein sehr junges Land, sie werden am 2. Dezember gerade mal 42 Jahre alt. Gerade im Emirat Abu Dhabi gab es zur Gründung noch gar nichts. Keine Bildung, keine medizinische Versorgung, die Häuser waren nicht mehr als Hütten aus Palmwedeln, die Leute waren schrecklich arm. Erst vor 42 Jahren, als Sheik Zayed an die Macht kam, änderte sich alles. Er investierte das Geld, was er durch das Öl bekam in einen rasanten Aufbau der Städte. Stück für Stück wurden Schulen, Krankenhäuser, Wohnhäuser etc. gebaut. Nur bis es soweit war, dass sämtliche Einheimischen von Beginn an Bildung genießen konnten und eine Schulpflicht bestand und auch die nötigen Ressourcen dafür vorhanden waren, dauerte es noch eine Weile. Außerdem war es so manchem Wüstenbeduinen schwer zu vermitteln, warum sich nach so langer Zeit die Dinge alle ändern sollten. Wofür man das alle bräuchte. Daher ist ein Großteil der jetztigen erwachsenen Bevölkerung noch sehr ungebildet. Das Leadership (Königsfamilie und Regierung) möchte aber dafür sorgen, dass sie wenigstens alle ein sicheres Einkommen haben. Und ein Gefühl dafür bekommen, einer regelmäßigen Tätigkeit nachzugehen. Immerhin bekommen oder haben die Leute ja auch alle Kinder, denen vermittelt werden muss, wie die Welt hier in Zukunft funktioniert. Was aber macht man mit genau dem Teil der Bevölkerung, der nicht nur ungebildet ist, sondern aus verschiedenen Gründen auch nicht mehr sinnvoll nachträglich ausgebildet werden kann? Man versucht eben irgendwelche Jobs zu schaffen. Hauptsache eine Beschäftigung für Geld. Und sei sie unterm Strich noch so sinnlos in unseren Augen. Dadurch ist hier gerade im behördlichen Bereich ein unheimlich aufgeblähter Apparat entstanden, der häufig zu einer Menge überflüssiger Rennerei führt. Zum Beispiel diverse Stempelzettel an der Grenze von Häuschen zu Häuschen tragen, obwohl mit dem Ein- und Ausreischalter alles erledigt ist.
Wenn man diese Zusammenhänge kennt und darüber nachdenkt, erscheint das Ganze nicht mehr wirklich sinnlos. Wenn die jüngere, besser ausgebildete Generation vollständig nachgerückt sein wird, kann und wird man hier sicher solche Stellen wieder Stück für Stück streichen, dann sind sie nicht mehr nötig. Bis dahin aber gibt es den Leuten die Möglichkeit, sich an ein Arbeitsleben mit Struktur und festem Einkommen in der Gegenwart und Zukunft zu gewöhnen und genau das auch an ihre Kinder weiter zu geben. Alles wird irgendwann gut, inshallah (“so Gott/Allah will”)!
Das Wissen um die Hintergründe hilft mir sehr, in solchen Situationen nicht die Geduld zu verlieren, sondern die Dinge so hinzunehmen, wie sie eben gerade sind…
So. Und für alle, die meinen letzten Beitrag gelesen haben: Der Regen stoppte doch tatsächlich, als wir den ersten Grenzposten an der emiratischen Grenze Richtung Oman passierten. Der Spaziergang zurück zur emiratischen Seite war herrlich in frischer und sandfreier Luft! Wir Mädels hatten eben Glück 😉