Der tägliche Kampf um Plastiktüten

Eine der typischen Alltagsskurrilitäten in ganz Asien und dem mittleren Osten ist die Plastiktütenschlacht an den Supermarktkassen. Meist gibt es extra Einpacker, hier kommen sie vorwiegend aus Indien oder Bangladesh. Und wenn ich sage “Einpacker”, dann meine ich damit, dass sie tatsächlich hemmungslos einpacken, nur eben nicht sinnvoll. Alles kommt in eine Extratüte. Wenn man zum Beispiel Fleisch, etwas Gemüse, Obst, Waschmittel, Duschbad und eine Tasse kauft, steht man am Ende mit sechs Plastiktüten da, wobei Fleisch, Gemüse und Obst von vorneherein breits separat in Tüten oder anderen Verpackungen stecken. Unmöglich zu transportieren das Ganze. Für gewöhnlich läuft aber auch kaum jemand mit seinen Einkäufen nach Hause, nichtmal wenn das zu Hause schräg über die Straße ist. In der Regel bringt dann der Packer den Einkaufswagen samt milliausenden Plastiktüten zum Auto oder Taxi. Der englische Wortschatz der Packer beschränkt sich daher weitestgehend auf “Yes Sir/Ma’am”, “Where car?” und “Taxi”. Es ist also unmöglich ihnen zu erklären, dass man nicht hundert kleine sondern eine große Tüte für alles möchte. Die meist philipinischen Kassiererinnen können da auch nichts ausrichten, die Packer verstehen sie genauso wenig. Das führt zu lustigen Situationen.

Ich bitte an der Kasse um so wenig Tüten wie möglich. Die Kassiererin sagt “Yes Ma’am”, versucht dem Packer ein bis zwei große Tüten hinzulegen. Der Packer ignoriert das stoisch und packt jedes Item extra ein, wie er es gewöhnt ist. Die Kassiererin registriert das, versucht ihn darauf hinzuweisen, aber er versteht kein Wort. Er antwortet nur immer wieder mit “Yes Ma’am” und macht fröhlich weiter. Die Kassiererein lächelt mich entschuldigend an und zuckt mit den Schultern, schiebt stattdessen die große leere Tüte zu mir. Während ich bezahle, hat der Packer sein Christo-gleiches Kunstwerk beendet und rennt mit meinem Einkaufswagen Richtung Ausgang. Ich versuche, ihn  im Auge zu behalten, während ich mein Wechselgeld entgegen nehme. Mitten in der Tür bleibt der Packer mit meinem Wagen stehen und dreht sich ungeduldig zu mir um mit den Worten “Where car?” Ich versuch ihm zu erklären, ich habe kein Auto. Er schaut mich verständnislos an und läuft weiter Richtung Parkplatz. Ich rufe laut “Don’t car! Don’t have!” Er dreht sich wieder zu mir um, sieht eine Weile angestrengt überlegend aus. In dieser seiner Denkpause schließe ich zu ihm auf und versuche, ihm den Einkaufswagen abzunehmen. Er hält ihn erstaunlich fest für sein schmächtiges kleines Auftreten. Dann scheint eine kleine Funzel über ihm anzugehen und er ruft freudestrahlend “Taxi!” Genervt schüttel ich den Kopf und sage etwas lauter “I WALK” und mache mit Zeige- und Mittelfinger die typischen Bewegungen für laufende Beine. Jetzt guckt er mich erst recht verständnislos an, ein bischen so als registriere er in dem Moment, dass ich einen gewaltigen Sockenschuß habe. Immerhin zuckt er endlich grummelnd mit den Schultern und lässt mich mit samt dem Wagen irgendwo auf dem Parkplatz stehen. Ich packe in aller Ruhe meine Tüten sinnvoll um. Am Ende habe ich – dank der Kassiererin – eine große Tüte voll mit meinen Waren des täglichen Bedarfs, das Heer der leeren kleinen Tüten lasse ich im Wagen zurück. Jetzt kann ich meine Sachen auch problemlos heim tragen, Jubel!

So oder so ähnlich ergeht es mir beinahe täglich. Beim letzten großen Aufenthalt hier waren wir in einem anderen Hotel und ich holte meine Kochzutaten in einem anderen kleinen Supermarkt. Irgendwann hatte ich dem dortigen Personal tatsächlich beibringen können, so wenig Tüten wie möglich zu benutzen. Viele freundliche Gespräche mit den Kassiererinnen, die etwas mehr Englisch sprechen und verstehen konnten, trugen schließlich dazu bei, dass ich nicht mehr umpacken musste. Besser für die Umwelt und einfacher für mich heimzutragen. Die hatten aber auch keine Bangladeshi als Packer. Umweltbewußtsein ist etwas, was gerade die Leute aus dem asiatischen Raum und dem mittleren Osten überhaupt nicht haben. Was das Einpacken der Einkäufe betrifft, so haben die Packer auch keine Idee davon, was “praktisch” bedeutet. Eine Kassierin erklärte mir mal, die meisten Kunden wollen das wohl so, weil sie dann die Tüten gleich als Mülltüten verwenden. Vermutlich als Mülltüten für noch mehr Tüten.

Mal sehen, wie lange es dauert, bis ich die Leute im Supermarkt gegenüber soweit habe, mir meine Sachen sinnvoll einzupacken. Wahrscheinlich ziehen wir bis dahin längst in eine neue Wohnung… 😉

Immerhin, gestern im Künstlerbedarf habe ich durchgesetzt, dass Leinwände und Zeichenpapier in der selben Tüte landen. Und zu meiner Freude haben sie gar nicht erst versucht, die Staffelei einzupacken! …Obwohl… dieses Schauspiel hätte sicherlich etwas sehr amüsantes gehabt…

 

avatarK

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