Wir haben letztens einen sehr interessanten Emirati kennen gelernt. Ingenieur und Erfinder, Bastler und Tüftler, ein vielgereister, gebildeter und weltoffener Mensch. Wir haben uns sofort verstanden und einige interessante Gespräche geführt. Schnell folgte eine Einladung. Er erzählte uns auch von seiner Schwester, die in Deutschland gelebt hat und auch etwas Deutsch spricht. Sie lernten wir am Telefon kennen, als sie uns ebenfalls eine Einladung ausprach. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass man eine Arabische Einladung annimmt, nachdem sie mindestens dreimal ausgesprochen wurde. Die Geschwister haben dreimal angefragt, also haben wir die Einladung angenommen 🙂
Wir haben einen Tag ausgemacht, von einer Uhrzeit wollten sie nichts wissen. Wenn wir da sind, sind wir da. Ganz einfach. Also gab ich als Richtwert “nachmittags” an. Das Zeitverständnis hier ist ein völlig anderes. Sehr gewöhnungsbedürftig für uns Deutsche, zumal es hier zum guten Ton gehört, etwas später als abgemacht aufzutauchen. Zeit spiel keine übergeordnete Rolle, sie ist einfach da. Man hat sie einfach. Wenn man sich darauf einlässt, kann es auch etwas entspannendes haben 😉
Neugierig auf unsere Gastgeber machten wir uns gestern auf den Weg in einen kleinen Wohnort zwischen Abu Dhabi und Dubai. Ein typischer Wohnort im Emirat Abu Dhabi – eine sauber geplante Ansammlung Arabischer Villen, eine Schule, Moschee und ein paar kleine Lädchen für das nötigste, an sonsten Wüste wohin das Auge reicht. Die farbenfrohen Bepflanzung der Vorgärten leuchten intensiv in dieser Umgebung. Überall kleine Springbrunnen, gezwitscher von Sittichen aller Art, ruhiger Kleinstadtflair. Hier passiert für gewöhnlich nicht viel, es gibt nicht viel Abwechslung. Dadurch war unser Besuch scheinbar ein echter Höhepunkt auch für die Schwester und Mutter unseres neuen Freundes.
Wir bekamen erst einmal eine Exclusivführung durch das Familienanwesen. Vier Villen, zwei davon vermietet, eine für Mutter und Schwester, eine für unseren Freund. Die Villa unseres Freundes ist eine Art kreatives Chaos aus jeder Menge Werkzeug und Bastelzeug aller Art, Konstriuktionen und Maschinen, an denen er baut und viele viele andere Dinge, darunter auch zwei Boote. Nichts, was es nicht gibt, wenn man etwas konstruieren und bauen möchte. Das Haus der Mutter hingegen war wie eine Mischung aus Museum und Märchen aus 1001er Nacht. Der Arabische Einrichtungsstil ist sehr interessant und hat durchaus seinen eigenen Charme. Wohnzimmerbereiche mit großen Sofagarnituren und Couchtischen voller dekorativer Gegenstände gab es gleich mehrere, natürlich alle auch mit riesigen Fernsehern. Zwischen Sofas mit vergoldeten und verziehrten Holzkörpern und rotem Samtbezug wirkt ein Hochmoderner Flachbildfernseher durchaus sehr interessant. Die riesigen Krohnleuchter machen sich gut, wenn die Stubendecke zwei Stockwerke hoch ist 🙂 Insgesamt waren es drei Stockwerke mit jeder Menge Schlafzimmer, die wie hier üblich alle mit eigenem Badezimmer versehen sind.
Mutter uns Schwester haben uns so herzlich empfangen, sie waren auf uns mindestens genauso neugierig wie wir auf sie. Die Schwester freute sich auch sehr, endlich mal wieder Deutsch sprechen zu können, Englisch spricht sie nicht. Dafür spricht unser Freund Englisch, die Mutter nur Arabisch. Das Sprachmix aus Arabisch, Deutsch und Englisch war sehr interessant, irgendwer hat immer für einen anderen übersetzt. Die Mutter war so gut mit Mimik und Gestik, dass wir ihr teilweise auch ohne Übersetzung folgen konnten. Einfach herrlich! Schnell wurde klar, dass wir nicht vor dem Abendessen gehen können.
Mutter und Schwester waren mit den Vorbereitungen für das Abendessen beschäftigt, unser Freund nahm uns solange mit zu einem Farmbesuch. Bei der Erwähnung einer “Farm” dachte ich zuerst an eine der hier sehr verbreiteten Kamelfarmen, nicht aber an eine recht große Gemüsefarm mit Schafen und Hühnern mitten in der Wüste! Quasi ein richtiger Bauernhof mitten in der Wüste mit eigener Zisterne für die Bewässerung (sogar mit Fischen), jeder Menge Salat-, Gemüse- und Wurzelwerkfelder, Dattelpalmen selbstverständlich und ein Gatter mit Schafen sowie einem Hühnerstall. Ein Gartenhäuschen für die Mutter mit Küche und Bad und dem obligatorischen Wohnbereich mit großer Sofagarnitur samt Fernseher war auch vorhanden. Selbstverständlich gab es auch eine Arbeitscrew dort. Die Belüftungssysteme der großen Gewächshäuser waren Entwicklung und Eigenbau unseres Freundes. Das Bewässerungssystem für die Felder ist schier unglaublich. Einzig Wasser ist nötig, um dem Sandboden so viel Leben abzugewinnen! Unser Freund ließ uns zwei Kartons voll Gemüse von den Angestellten ernten, die Maiskolben holte er selber vom Feld. Alles ganz frisch, das bekommt man hier nicht im Laden. Da hier fast alles importiert wird, was im Supermarkt landet, war bereits alles einmal eingefrohren. Für Gemüse bedeutet das, dass es sich nach dem Auftauen nicht sehr lange hält. Was wir aber von unserem Freund bekommen haben, könnte frischer nicht sein und dürfte sich problemlos halten, bis wir alles aufgebraucht haben! Einen Riesenberg Lauchzwiebeln, Maiskolben, Rettich, ein Gemüse, dessen Namen wir noch herausfinden müssen und jede Menge interessant geformter Auberginen. Ich wusste gar nicht, dass Auberginen Dornen haben können. Entweder sie werden entfernt bevor die Auberginen verkauft werden, oder aber es liegt an der speziellen Sorte. Ich werde das mal herausfinden. In jedem Fall sind sie eines der wichtigsten Gemüse der Arabischen Küche und man kann eine Menge damit anstellen. Wir haben genug davon, um so einiges damit auszuprobieren!
Das Abendessen war sehr interessant! Mir war es aufgrund meiner Glutenunverträglichkeit bisher noch nicht möglich, ein Arabisches Restaurant zu besuchen und mir die Arabische Küche etwas genauer zu Gemüte zu führen (die meisten haben keine Ahnung, was Gluten ist, backen aber ihr Brot mit Weizenmehl. Gefahr für mich ;)). Die Frauen haben traditionell gekocht und nur frische Grundzutaten verwendet. Das einzige, was ich nicht essen konnte, waren die mit Käse gefüllten frittierten Teigtaschen. Die Mengen waren für eine ganze Kompanie! Ein Arabisches Gericht besteht aus einem großen Berg Reis mit gebratenem oder gekochtem Fleisch garniert. Und mit “großer” Berg Reis meine ich auch GROSS! Wir hatten zwei Hauptgerichtplatten. Das eine war ein Reis mit grünen Bohnen, jeder Menge Dill (grandioser Geschmack) und gekochtem Lammfleisch. Das ander war eine Art Curryreis mit gebratenen halben Hühnern oben auf. Dazu gab es jede Menge frischen Salat, die mit Käse und Gemüse gefüllten Teigtaschen und als Dessert selbstgemachte Pralinen aus Dattelfleisch in Sesamkörnern. Ich liebe die Dinger!
Etwas gewöhnungsbedürftig war für mich, dass Mutter und Tochter separat in der Küche gespeist haben. Unser Freund ist nicht religiös, ihm wäre das völlig egal. Schwester und Mutter haben sich aber selbst für eine sehr traditionelle Lebensweise entschieden. Da Essen die Frauen getrennt von den Männern und Gästen. Ich bin nach dem Essen einfach zu den Mädels in die Küche mit verschwunden. Es kam noch eine Nachbarin zu Besuch, die Unterhaltung war sehr herzlich. Schon nach kurzer Zeit fühlte es sich so an, als würden wir wie selbstverständlich mit dazu gehören und nicht wie gerade frisch kennen gelernt. Der Graupapagai am Eingang wollte auch gelegentlich mit diskutieren. Es gab nach dem Essen noch schwarzen starken Tee, das hiesige Equivalent zum Espresso danach 😉 Dann mussten wir uns schweren Herzens verabschieden, da mein Mann heute wieder arbeiten muss und somit die Nacht zeitig zu Ende ist. Wir sind herzlich eingeladen, gerne immer wieder zu kommen.
Es war ein wundervoller Tag voller neuer Eindrücke! Die Gastfreundschaft und Offenheit der Menschen hier ist einfach Wahnsinn! Die Erfahrung eines traditionellen Arabischen Abendessen war für mich auch ein absoluter Höhepunkt, der Farmbesuch mehr als nur interessant, wenn man bedenkt, was man lediglich mit Hilfe eines guten Bewässerungssystems dem kargen Sandboden alles abringen kann!
Es war einer dieser Tage und Begegnungen, nach denen man sich innerlich viel reicher fühlt 🙂
Ma’a as-salama (Auf Wiedersehen)