Zumindest wäre ein Kanu letzten Donnerstag die bessere Wahl für den Weg von Abu Dhabi nach Al Ain gewesen. Heftige Regenfälle verwandelten die Straßen regelrecht in Wadis. Und meine Freunde und ich mitten drin. Warum? Wir brauchten ein neues Visum, was man als Eurpäer (in dem Fall eine Britin und ich) am einfachsten bekommt, indem man einen Spaziergang über die emiratisch-omanische Grenze macht. Und meine Freundin war bereits am letzten Tag ihrer Visagültigkeit angekommen. Eine kleine Geschichte über eine abenteurliche Fahrt…
Es ist Donnerstag früh 7:00 Uhr, mein Mann und ich stehen in der Hotellobby und schauen fassungslos durch die Glasfensterfront nach draußen, während der Bellboy unser Auto vorfährt. Es stürmt und gießt in Strömen, blitzt und donnert. Tolles Wetter für einen Ausflug in die Wüste, denke ich.
Regen kommt hier eher selten vor, wenn – dann nur sehr kurz. Heute sollte das aber anders sein. Schon die Fahrt aus der Innenstadt heraus zieht sich ewig, die Straßen schmierig glatt durch das Gemisch aus Wasser und Sandstaub, den der Regen aus der Luft wäscht. Die meisten hier sind es nicht gewöhnt bei Regen zu fahren. Der Verkehr zieht sich träge dahin, überall klingen die Sirenen der Unfallpolizei. Wir haben in sofern Glück, dass auf unserem Weg raus aus der Stadt noch kein Unfall die Straße blockiert, Durchschnittsgeschwindigkeit 40 km/h auf der Stadtautobahn. Wir sind auf dem Weg in nach Shamkha, eine der Trabantenstädte von Abu Dhabi, wo ich in ein anderes Auto zu Freunden wechseln werde, während mein Mann dort in der Nähe seine Baustelle hat. Die Sichtverhältnisse auf den Stadtautobahnen sind gleich null, die Scheibenwischer kommen kaum gegen den Platzregen an, der sich mehr und mehr mit Sand mischt und eine schmierige Schicht auf den Autoscheiben hinterlässt. Nicht zuschaffende Schwerstarbeit für die Wischblätter. Kurz vor der Abfahrt Shamkha setzt dann auch noch richtig Sandsturm ein, nur mit Mühe finden wir den richtigen Abzweig. Dann am ersten Kreisverkehr nach einem am Rand geparkten weißen Auto im Sandsturm Ausschau halten. Suchbild. Wir fahren Schrittgeschwindigkeit, bis vielleicht zehn Meter vor uns am Rand Warnblinker zu erahnen sind. Vorsichtig fahren wir rechts ran an die Blinker – ja, es ist das richtige Auto. Ich wechsle über zu meinen Freunden.
Der Fahrer, ein Emirati, ist aufgeregt. Er ist es nicht gewöhnt, im Regen zu fahren. Er sagt mir, der Regen hier ist für gewöhnlich nach ein paar Minuten wieder durch. Normalerweise fährt man dann einfach nicht. Zu viele Unfälle, weil kaum einer Erfahrungen hat, auf sandnassen Straßen zu fahren. An diesem Tag regnet es allerdings schon seit Stunden. Langsam suchen wir uns den Weg durch das Wirrwarr der großen Stadtautobahnen, Schilder lesen ein Ding der Unmöglichkeit. Manche fahren ohne Licht, ein Unding wenn man bedenkt, dass die Sichtweite kaum nennenswert ist.
Auf der Autobahn Richtung Al Ain lässt der Sandsturm nach, nicht aber der Regen. Es ist eher eine Wasserwand, die vom Himmel fällt als alles andere. Die Straße verwandelt sich in einen heftigen Fluss. Wir Mädels reden beruhigend auf den Fahrer ein. Ganz langsam fahren, dann dauert es zwar ewig, aber wir kommen an. Im Gegensatz zu den vielen anderen, die zerbeult am Rand stehen und auf die Polizei warten, die sich allerding gelegentlich auch unter den Unfallwagen befindet. Es dauert nicht lange und wir fahren im Schrittempo auf dem Standstreifen, alle mit Warnblinkanlage am laufen. Links von mir drei freie Fahrspruhren. Ich frage, warum wir am Rand fahren, wo sich das Wasser an den über lange Strecken geschlossenen Betonleitplanklen sammelt. Deswegen, sagt mir der Fahrer, und deutet nach links. Ein großer SUV braust an uns ohne Licht vorbei, ein Einheimischer der wohl etwas zu sehr auf das trügerische Sicherheitsgefühl seines Pathfinders vertraut. Womöglich ist genau er es, den wir einige Zeit später zerbeult am Rand sehen. Immer mit der Dummheit anderer rechnen.
Selbst bei Schrittgeschwindigkeit gerät unser Wagen immer wieder ins Schlingern. Umkehren keine Option, das Visum meiner Freundin ist nur noch heute gültig. Nach einer Stunde haben wir die ersten 30 Kilometer geschafft, 100 liegen noch vor uns. Wir parken zusammen mit einigen anderen Autos unter der nächsten Brücke am Autobahnrand. Die Straße hat sich mittlerweile in einen reißenden Fluss verwandelt. Ein Boot wäre besser gewesen, da sind wir uns einig. Vergebliches Warten auf eine Auflockerung des Regens. Der Fahrer erzählt mir, so einen ausgiebigen und langanhaltenden Regen hätte er Zeit seines Lebens in den Emiraten noch nicht erlebt. Es sei eine absolute Erfahrung, bei solch einem Wetter fahren zu müssen.
Im Radio hören wir, das in den gesamten Emiraten die Straßen geflutet sind, Schulen haben geschlossen, Busse fahren nicht. Wir haben auch noch keinen einzigen der üblichen Busse gesehen, die zwischen Al Ain und Abu Dhabi normalerweise unterwegs sind. Dafür jede Menge Unfälle und Polizei. Der Regen flutet die Straßen hier vor allem dadurch so schnell, dass kein Drainagesystem vorhanden ist. Wozu braucht man auch mitten in der Wüste eine Kanalisation entlang der Straßen, wenn es nur eine Hand voll Male im Jahr zu heftigen, aber kurzen Regenschauern kommt. Die Straßen laufen zwar in kürzester Zeit voll, trocknen aber genauso schnell wieder, sobald der Regen aufgehört hat. Nicht an diesem Tag. Es regnet, nein es schüttet vielmehr kontinuierlich weiter. Wir machen eine Menge Witze, schütteln unsere Köpfe über die immer mal wieder vorbei kommenden, sich permanent selbst überschätzenden Einheimischen, die wir an diesem Tag nur all zu oft wenig später am Rand gestrandet wieder sehen.
Witzige Momentaufnahme: Ein großer Polizei SUV mit Stahlkuhfänger vorne dran parkt am Rand, drei Meter vor ihm ein Auto mit komplett gleichmäßig eingebeultem Heck. Interessanterweise auf genau der Höhe eingebeult, in der sich der Kuhfänger des Polizeiwagens befindet. An sonsten kein weiterer Unfallwagen im Umkreis von 200 Metern. Was wird hier wohl passiert sein, fragen wir uns lachend. Nach ca. 200 Metern steht wieder ein PKW am Rand mit ebenfalls gleichmäßig eingedelltem Heck. Kein anderes Auto in der Nähe. Jetzt wird es mystisch. Wir spinnen uns Theorien zusammen, was da passiert sein könnte. Zeit genug haben wir. Es geht nur wahnsinning langsam durch dem sandschlammigen Straßenwadi voran. Wir hoffen inständig, dass der Regen bis zur Grenze bei Al Ain nachlässt, denn wir können die Grenze nicht mit dem Leihwagen überqueren und haben ein Stück durch die Wüste zu laufen. Hoffen und Bangen, es wird einfach nicht heller. Unser Fahrer hält sich einfach nur Klasse, schließendlich erreichen wir Al Ain nach etwa zweieinhalb Stunden. Die ersten 100 Kilometer sind geschafft.
In Al Ain selber lichtet sich der Regen etwas, genau in Richtung Grenze sehen wir eine etwas hellere Stelle am sonst so dunklen Wolkenhimmel. Sämtliche Kreuzungen und Kreisverkehre stehen komplett unter Wasser. Eine Riesensauerei entsteht, wenn sich gerade die großen SUVs da durchwurschteln und es nach allen Seiten bis sonst wohin spritzt. Der Regen ist hier nicht mehr ganz so starkt. Lässt immer mal wieder nach bis es nur noch nieselt, wird immer mal wieder etwas mehr. Wir bangen weiter. Nach insgesamt knapp drei Stunden erreichen wir endlich die Grenze, haben gerade mal 130 Kilometer im Gesamten zurück gelegt.
Auf dem Rückweg hat der Regen – Allah sei Dank – endlich gestoppt. Schon die Kreuzungsen in Al Ain sind kaum wieder zu erkennen, das Wasser ist bereits zum größten Teil verschwunden, hat allerdings eine hässliche Dreck- und Sandschicht hinterlassen. Die Rückfahrt verläuft problemlos, nur noch kurze Schauer tauchen gelegentlich auf, während wir uns Abu Dhabi nähern. Und dann bekommen wir eine wundervolle Entschädigung für die nervenaufreibende Hinfahrt. Der Regen war lange und heftig genug, um nicht nur den Sand aus der Luft zu spülen, er hat auch gleich die vielen Tower der Hauptstadt wunderbar sauber gewaschen. Die Sonner bricht durch, die Tower glänzen fantastisch und spiegeln das Sonnenlicht, über der Skyline von Reem Island entsteht ein wunderbar kitschigschöner riesiger Regenbogen. Wir öffnen alle Autofenster und genießen die frische sauber gewaschene Luft. Zu Hause…
Die Reise war wirklich eine absolute Erfahrung für uns drei. Nebenbei gemerkt habe ich auf der Hinfahrt mehr Polizeiwagen gesehen als in den gesamten sechs Monaten unserers ersten Aufenthaltes hier. Bei einem solchen Wetter Auto zu fahren, ist wirklich nicht die beste Idee, allerdings hat unser Freund das hervorragend gemeistert. Wir sind heil angekommen im Gegensatz zu vielen anderen an diesem Tag, und unser Freund hat entdeckt, dass er auch bei Mistwetter ein guter Fahrer sein kann. Wenn das Problem mit dem abgelaufenem Visum nicht bestanden hätte, hätte uns alle um nichts in der Welt etwas aus dem Haus bewegt bei dem Wetter. Zumal selbst der Vorgarten unserer Freunde ein ganzes Stück unter Wasser stand…
Was meine Freundin und ich an der Grenze erlebt haben, ist eine andere Geschichte, versprochen für das nächste Mal. Diesmal gab es nämlich einen Visarun mit Hindernissen…